Bratensoße als europäisches Fluidum

In nördlichen Ländern, solang’ man nicht trinkt, ist die Oberfläche des Benehmens und der Erscheinung gleichmäßig gepflegter, die Rillen und Runzeln, welche die Stände trennen, liegen für den Fremden aus dem Süden nicht sogleich zu Tage, und wenn dazu die Sprache noch nicht oder erst mangelhaft beherrscht wird, so fehlen auch die Orientierungs-Marken des Bildungsmäßigen, das ja sonst, wenn auch kaum greifbar, doch ein international ergossenes Fluidum darstellt, nicht unverwandt der Bratensauce in den Speisewagen der großen Expreß-Züge, die vorlängst zwischen Biarritz und Paris, Bregenz und Wien, Mandschuria und Wladiwostok verdächtige Analogien zeigte, so daß man auf die unsinnige Vorstellung verfallen konnte, sie werde in Röhrensystemen entlang der Strecken geleitet.

Heimito von Doderer: Strudlhofstiege.

Magic Moment

Am Wochenende mit Tarp im Wald übernachtet. Um vier Uhr aufgewacht: Tiere laufen raschelnd vom Fluß zurück in den Wald.

Sie kommen näher, ich bleib leise, weil ich weiß, dass es keine Wildschweine sind.

Zwei Füchse kommen auf meine Lichtung und bis unter meine große Buche. Fuchsaugen blitzen im Mondschein. Ein Fuchsgesicht mit den ikonischen spitzen Ohren direkt vor mir. Im Hintergrund zieht ein zweiter Fuchs mit buschigem Schwanz vorbei. Dazwischen fliegen Glühwürmchen.
✨

Buchschuldigung!

Mal wieder eine irre etymologische Verbindung: Wie das deutsche „Buch“ mit dem persischen Wort für Entschuldigung (ببخشید bebaxšid) zusammenhängt:

Die gemeinsame PIE-Wurzel ist vermutlich *bʰeh₂g- (teilen, zuteilen). Im persischen dann gönnerisch (gewähren, spenden), also vermutlich eine Verkürzung („Gewähre Vergebung!“).

Und das mit dem Buch ist eine von zwei vermuteten Etymologien: Buchstaben waren ursprünglich auch Besitzzeichen.
https://en.wiktionary.org/wiki/Reconstruction:Proto-Germanic/b%C5%8Dks

Buchstaben sind ja bei den Sumern aus langen Listen für Verwaltungen entstanden. Eventuell gab es auch bei den Germanen „Bücher“ mit solchen Besitz-„Zuteilungen“.

Zwei weitere Bekannte aus der Wurzel: Das oft etwas unappetitliche Biologie-Suffix –phagus für was auch immer etwas anders frisst. Semantischer Wandel: Ich bekomme etwas -> ich esse etwas.

Und kürzlich ging es um eine missbräuchliche Sekte in Deutschland mit Sanskrit Namen: Bhakti Marga.

Das bezeichnet eine spirituelle Technik („Weg der Hingabe“). Bhakti (Hingabe) auch wieder aus der PIE-Wurzel *bʰeh₂g-. Semantische Wandlung stelle ich mir so vor von „Zuteilung“ zu „Teil-Nahme“, „Teil werden“.