Mosaikum 1.0
Von KerLeone


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[25.08.2012] 
Die Trennung (frei erfunden)
Ich halte nicht von Beziehungen und von der Liebe, ich würde eher einem Versicherungsmakler glauben als einem Mann, der mir erklären möchte, dass er nun für immer mit mir zusammensein will. Was soll das für eine Erklärung sein? Eine Kriegserklärung? Das wäre noch weniger albern. Ich bevorzuge die formlose Variante. Was nicht davor schützt, dass man im Krieg endet. Keine Anspielung auf Karl oder Helmut, ich komme noch auf Karl und die Probleme, die ich mit ihm hatte und mit Helmut gab es keine Probleme und deswegen auch: mit Helmut keine Erklärungen unterzeichnet, als wir uns kennenlernten. Entsprechend keine "Trennung". Ich habe anderen erzählt, dass wir uns getrennt haben, weil das einfacher ist, aber eigentlich habe ich ihn einfach nur zurückgelassen am 17. Juli in der Elsenheimerstraße, als wir zusammen eine gebrauchte Waschmaschine kaufen wollten. Begründung: kann ich nicht geben, nicht wirklich. War an diesem Tag irgendetwas besonderes? Wir liefen ewig in der Hitze zu dieser Adresse, Blütenpollen klebten auf dem flüssigen Teer, der an manchen Stellen der Straße heraussickerte und nahmen ihm den Glanz, den er durch die Hitze gerade erst bekommen hatte. Hier wo der Löwenzahn in den Ritzen vertrocknete, musste eine Elfriede Schober wohnen. Schließlich fanden wir das Klingelschild. Daneben sah ich eine naß gewordene und wieder getrocknete Ankündigung einer Altkleidersammlung. Sie hing nur noch an einem Kreppklebestreifen. "Klinglstreich" murmelte ich und popelte am letzten Klebestreifen, während Helmut seinen dicken Finger lang und fest auf die Klingel drückte, dass der Nagel weiß anlief. Ich wusste, dass er meine Entdeckung weder würdigen noch sonstwie darauf reagieren würde.
Elfriede Schober war eigentlich ganz nett. Helmut wollte unbedingt die Waschmaschine testen, bevor wir sie mitnahmen. "Mein Gott, so lange habe ich aber nicht Zeit", sagte sie und lachte, obwohl sie es ernst meinte. Als sie lachte, warf sie ihre große Hand auf ihren platten, verwitterten Ausschnitt und ich hoffte in ihrem Interesse, dass sie dort einfach kleben bliebe, damit sie ihr nicht weiter im Weg umgehe. Schließlich überredete Helmut die Frau Schober und erklärte ihr, dass man ja jeden Waschgang abbrechen kann, wusste ich auch nicht. Und dann standen wir da in dem engen Bad, die Frau Schober fummelte verlegen an der Bedienungsanleitung und Helmut stütze sich auf die Waschmaschine, was hätte man auch machen sollen, bis die Maschine endlich ganz aus ist. Dann drehte die Maschine nochmal etwa eine Minute und dabei wackelte Helmuts hässliche goldene Uhr, dessen hässliches Gliederband er wie immer viel zu locker geschlossen hatte, an seinem häßlichen blassen und mit dünnen schwarzen Härchen bestandenem Arm und mir war ganz plötzlich klar, dass ich mit Helmut nicht mehr zusammen sein kann und auch nicht möchte, also verabschiedete ich mich höflich von Elfriede Schober und auch von Helmut (Frau Schober verstand das offensichtlich, Helmut weniger). Ich ging schnell das Treppenhaus hinab, das kam mir noch viel widerlicher vor als beim Hinaufgehen mit seinem kalten 60er-Jahre Steinboden und seinem schwarzen Handlauf und eilte zurück in meine Wohnung. Jede Erklärung ist doch sinnlos. Soll ich noch schreiben, dass es im Treppenhaus nach Sellerie roch und ich das hasse? Und dass die Leute in solchen Häusern sterben und zwar mehr als in anderen? Da hat man eine Schublade, wo man was reinstecken kann. Aber das erklärt doch nichts. Ich glaube, letztendlich hätte jede andere Frau genauso gehandelt, darum gehts.
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[22.08.2012] 
Die kleine tägliche Gemeinheit von Viana
In Viana, einem kleinen Vorort von Logroño, hat Kraft Foods eine Schokoriegelfabrik und da kann man jeden Tag eine kleine Gemeinheit beobachten oder besser erfühlen, wenn man Mitgefühl hat, da laufen nämlich bei voller Mittagshitze Hunderte von Santiago-Pilgerern zu Fuß durch den Ort und dann riecht es überall extrem nach Schokolade.
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[18.08.2012] 
Homosexuelle
Der strenge, zuweilen fast argwöhnische, ja richtende Blick, den der Homsexuelle bei der Begegnung mit einem schönen jungen Mann auf diesem ruhen läßt, ist eine kurze, aber intensive Meditation über seine eigene Einsamkeit. In einem Augenblick (der Dauer dieses Blickes) ist in zusammengeballter und schneller Häufung, innig verwebt mit der Furcht vor dem Zurückgestoßenwerden, seine immerwährende Verzweiflung eingeschlossen. "Es wäre schön ..." denkt er. Oder wenn er es nicht denkt, so wollen es doch seine verkrampften Brauen, die Verdammnis seines schwarzen Blickes sagen.
Jean Genet, Querelle, S. 11.
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[18.08.2012] 
Erinnerungsbatterien
Der Literaturwissenschaftler Rainer Warning nennt Betten (vor allem in Bezug auf Marcel Prousts "recherche du temps perdu") "Erinnerungsbatterien". Das hat mir gefallen. Bei Gustave Flaubert ist das Bett dagegen die Marinade, in die man sich bei Traurigkeit hineinwirft und darin lebt wie eine verträumte Auster bereits mal von mir aus Roland Barthes zitiert.
Rainer Warning: Heterotopien als Räume ästhetischer Erfahrung, S. 41.
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[18.08.2012] 
Das Ende der Postmoderne
Ich weiß ja nicht, wann die Postmoderne zu Ende geht, aber ich freue mich schon darauf, weil sie dann ohne "Turn" zu Ende gehen wird, weil sie zu Ende gehen wird, ohne den Anfang gleichsam in ihrem Ende zu zeitigen und vor allem weil sie auch nicht ihr finales Ende im eschatologischen Exitus einer überhöhten Apokalypse terminieren wird.
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[18.08.2012] 
Le Roi Est Mort
On the reeking pavement, in the darkness of a moonless night under the dripping rain, and surrounded by a hastily gathered crowd of wondering strangers, Norton I, by the grace of God, Emperor of the United States and Protector of Mexico, departed this life.
Aus dem Nachruf des San Francisco Chronicle über Joshua Norton, einem stadtbekannten Exzentriker, der sich selbst zum Kaiser der USA ausgerufen hatte.
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[15.08.2012] 
Ali ist ein Idiot (Sternnamen)
Vor fünf Jahren wollte ich mal Sternnamen lernen. Weil ich sie aber immer wieder am nächsten Tag vergessen hatte, habe ich begonnen, mir für einzelne Sternzeichen Eselsbrücken in Form von kurzen Geschichten zu schreiben, was irgendwann mehr Spaß machte, als das Auswendiglernen. Vor ein paar Tagen bin ich wieder über diese Geschichten gestolpert, hier zwei davon:

Großer Wagen
Eine Kneipe in Tunesien, vor einem Lokal hält ein GROßER WAGEN an und zwei angetrunkene Typen steigen aus. Nachdem sie sich am Tresen gesetzt hatten, fragt der Lokalbesitzer freundlich: Na, wo gehts hin?
"Wir sind Terroristen und wollen zu ALKAID!" sagt einer der Typen mit glasigem Blick. Und der andere: "Zwei Whisky!"
Der Lokalbesitzer mustert die zwei Typen etwas zweifelnd und sagt dann leicht spöttisch: "Na ihr seid ja zwei ganz MIZAR! Leider gibts aber in diesem Lokal keinen ALKOR!
"Was? Keinen Alkohol?", stammelt der Betrunkene. "ALIOTH!" (= Ali ist ein Idiot) "Der meinte hier gibts Alkohol!"
"Nein, ihr seid in Tunesien. Im ganzen MEGREZ gibt es keinen Alkohol."
"PHEKDA wollten wir aber nicht hin", sagt der Betrunkene und schaut seinen Partner fragend an.
Der schaut den Lokalbesitzer an und lallt: "MERAK!" (= Wir wollten in den Irak!)
Darauf verlassen die zwei das Lokal wieder. Der Lokalbesitzer ruft ihnen hinterher: "Probierts mal in DUBHE! Das gibts Alkohol und Al Quaida!

Bärenhüter
Sagt der eine BÄRENHÜTER zum anderen:
"Du, ARKTUR, wenn ich pullern muss, dann gibts ne ganze IZAR mit meiner PULCHERIMA."
(Kurze Pause)
Antwortet der andere Bärenhüter genervt:
"Ja, und wenn ich dir die Fresse polier, dann gibt's n ganzen NEKKAR mit deinem SEGINUS!"
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[12.08.2012] 
Kleiner Partyknigge (aus dem Jahr 852)
Erzbischof Hinkmar von Reims empfahl im Jahre 852, die folgenden Dinge auf Gelagen zu unterlassen: Trunkenheit, Trinken auf einen Heiligen oder Verstorbenen, Händeklatschen und wildes Gelächter, Erzählen und Singen eitler Geschichten, schändliche Scherze mit Bären und Tänzerinnen und das Tragen von Masken.
Gunter Hirschfelder: Europäische Esskultur, S. 109.
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[12.08.2012] 
Die Theorie des Vielleicht
Die "Theorie des Vielleicht" (Syadvada) ist sicher eine der originellsten Schöpfungen der jainistischen Erkenntnislehre:
1.in some ways it is
2.in some ways it is not
3.in some ways it is and it is not
4.in some ways it is and it is indescribable
5.in some ways it is not and it is indescribable
6.in some ways it is, it is not and it is indescribable
7.in some ways it is indescribable
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[10.08.2012] 
Dinge, über die ich vergessen habe zu berichten
Das Kind, dessen Eltern beim Spiel im Park immer "Ochsenberg 1,2,3" gesagt haben (und von dem grenzenlosen Mitleid, dass ich mit dem Kind hatte). Und von der Troll-Oma, die soviel Pflaumenkerne in ihrer Pflaumenmarmelade vergessen hatte, dass sie auf die Gläser schrieb "Pflaume mit Nuss". Weiß allerdings immer noch nicht, ob aus Spaß, aus Gemeinheit oder aus Alzheimer.
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[8.08.2012] 
Der Philosoph Arthur Pap
Arthur Pap ging unter anderem in die Geschichte ein als derjenige bedauernswerte Philosophiestudent, der am 13.April 1945 Ernst Cassirer an einem Taxistand an der Ecke 116th Street und Morningside Avenue ansprach, worauf dieser an plötzlichem Herzversagen starb.
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[6.08.2012] 
Das Nichtfest des weißen Schafs
Es ist der 4. August, an diesem Tag beginnt mit Böllerschüssen das große Fest von Vitoria-Gasteiz, die Fiestas de la virgen blanca. Ich bin nicht dort, ich bin mit dem Auto einem Feldweg im Süden der Stadt gefolgt und dann eine kleine Fahrspur sehr steil in eine Senke hinab, vermutlich eine ehemalige Kiesgrube. Ein versenkter Ort, eine Heterotopie nach Foucault: Wegwarte, Distel und Brombeere wuchern, der Ort ist offensichtlich vom Besitzer nicht beansprucht, genutzt wird er dennoch, hier kommt her, was die Stadt aussondert: alte Kühlschränke, Möbel oder Autoreifen. Sehr versteckt stehen einige sehr kleine Baracken, hier hält man sich offensichtlich Hunde, man hört sie den ganzen Tag bellen. An einer anderen Stelle ist ein absurder Haufen von Kleidung, Fernsehern, Topfdeckeln und Koffern, als hätte jemand ein ganzes Leben ausgeschüttet. Darin ein Moment, der wie der Müll der Stadt nur an diesem Unort bestehen kann: Ein weißes Stoffschaf umarmt einen weggeworfenem Bosch-Luftfilter. schaf_vitoria.jpg

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[2.08.2012] 
Ephemeridensekunde
Auch so ein lustiger Einfall von der Geschichte, dass sie die Ephemeridensekunde, die ja im Wort irgendwie, allerdings unbeabsichtigt, schon einen Hinweis auf die Vergänglichkeit trägt, 1950 einführt und 1967 wieder abschafft.
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